BIOGRAFIE
dort begegnet man dem Goßvater Johann Purwins als Präzentor und Lehrer und der Großmutter Lisbeth Purwins-Irritié als Schriftstellerin, Dichterin und Lektorin. Ihr Roman Der Kampf um die Heimaterde erschien 1924 im Verlag W. Härtel & Co. Nachf., Leipzig.
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Selma-Lagerlöf-Schule, Buchschlag
Umzug: Roseggerstraße 4 am Dornbusch
Wöhlerschule, Frankfurt
Umzug: Rubensstraße 14 Nähe Liebighaus
Internat Albert-Schweitzer-Schule (Villa Lilly), Lindschied
Hochschule für Gestaltung — HfG of Main, Offenbach
Studium von Oktober 1980 — Dezember 1985 bei:
Prof. Dieter Lincke: Zeichnung | Prof. Dr. Herbert Heckmann: Ästhetik, Sprache und Literatur | Prof. Klaus Staudt: Zeichentheorie, Elemente und Syntax | Prof. Dr. Hans-Peter Niebuhr: Soziologie der Medien | Prof. Manfred Eisenbeis: Kommunikationswissenschaften und Ikonologie / Ikonografie | Prof. Dr. Eva Huber: Kunstgeschichte | Prof. Lothar Romain: Kunstgeschichte | Prof. Knut Schäfer: Video | Prof. Schiffer: Fotografie | Prof. Klaus Gelhaar: Bühnenbild und Kostüm | Prof. Claus Bury: Bildhauerei | Prof. Eberhard Behr: Radierung und Lithografie.
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Arbeit mit: Zeichnung, Malerei, Collage, Fotografie, Video und Text.
Auseinandersetzung mit den Schriften des Christentums, der Psychoanalyse,
der Psychopathologie, des Schamanismus, der Literatur und Poesie.
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Kunstlehrer an der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule, Rödermark
für die Klassen 5f, 5g, 7g, 9b, 9e, 9f, 9g, 9h (in Vertretung Klasse 13*)
- vom 29. August 2011 — 5. September 2014.
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Videoproduktionen für den Kunstverein Familie Montez
- vom 16. Juli 2009 — 28. Juni 2024.
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Kursleiter der Kunstgruppe im Pflegebereich des Seniorenheims Agaplesion Haus Saalburg, Frankfurt
- vom 19. September 2018 — 27. Februar 2020.
- vom 08. Februar 2024 — lfd.
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Christiaan Tonnis: Porträts und Landschaften
Von Max Picard stammt die Beobachtung: „Betrachtet einer ein Menschengesicht, so wird das ganze Wesen des Betrachtenden getroffen: Gefühl, Verstand, Wille und auch jene Tiefe, in der Gefühl, Verstand und Wille noch dunkel beieinander sind: das Ahnungshafte. Das ganze Wesen des Anschauenden wird aufgewühlt.“
Im wahrsten Sinne des Wortes aufgewühlt wurde ich bei der Betrachtung des Wittgensteinporträts von Christiaan Tonnis. Wir sind ein wenig der Gesichter entwöhnt und verlassen uns ausschließlich auf die Stereotypie der Ähnlichkeit. Das Unverwechselbare eines Gesichts, der Ausdruck denkenden und fühlenden Lebens tritt gar nicht in das Zentrum unseres Interesses. Gesichter werden zu Zeichen des Bekanntseins oder des Fremden. Mit einem Wort: Wir scheuen uns, das individuelle Menschengesicht zu beachten, wie das auch Lavater tat, der eine schier universale Physiognomik austüftelte, um den Menschen in die Karten ihrer Seelen schauen zu können. Heutzutage, im Zeitalter der bloß informativen Kommunikation, will man nicht an das ganze Wesen erinnert werden, man will sich nicht ganz haben, man will zerteilt sein und sich nicht stören lassen in der Zerteiltheit – darum betrachtet man das Menschengesicht nicht. Das tun auch Künstler kaum mehr. Christiaan Tonnis ist eine Ausnahme. Für ihn sind Gesichter Abgründe, in die er schaut, ja er schaut in Gesichter, die ihn selbst anschauen, selbst dann, wenn ihr Blick seitwärts geht. Verblüffend ist die Ähnlichkeit, die er findet und in einen anderen Zustand erhebt. Er entdeckt in der Ähnlichkeit das Eigene.
Betrachten Sie doch einmal seinen Arthur Rimbaud, diesen Lyriker, Rebell und Abenteurer, der die Quellen des Nils suchte, nachdem er ein paar wenige Gedichte von rauschhafter Klarheit verfasst hatte. Christiaan Tonnis kennt natürlich seinen Rimbaud; er hat sich in ihn hineingelesen. Er las das Werk und das Gesicht, wie es eine Fotografie festhielt, das Gesicht, in dem sich das Werk andeutet und es ist überraschend,
ja überwältigend, wie er Rimbaud in dem Porträt zum Leben erweckt. Ich kenne sehr wenig Dichterporträts, in denen so viel von der Dichterpersönlichkeit des Porträtierten erfasst ist, wie das Christiaan Tonnis gelang.
Der Prozess des Porträtierens beginnt bei ihm lange vor der Zeichnung, lange vor der Gestaltgebung, lange vor dem Erfassen des Mimischen. Das Bekanntwerden erweist sich als ein äußerst komplexer geistiger Vorgang, der noch nicht bei dem fertigen Porträt abgeschlossen ist.
Es drängen erstens Gefühle zum Ausdruck, bei denen ein Eindruck von außen nicht vorhanden ist, sondern die lediglich als Ausdruck des inneren Zustandes aufzufassen sind; zweitens kommen Gefühle in Frage, die einen von außen kommenden Empfindungs-Eindruck begleiten. Die erstere Art ist also Ausdruck einer Sache selbst, nämlich des von peripheren Empfindungen unabhängigen, eventuell reproduktiv entstandenen Seelenzustandes. Die zweite dagegen gibt im Ausdruck die gefühlsbegleitende Wirkung des primären äußeren Eindrucks.
Beide Arten von Ausdruck vereinen sich bei Christiaan Tonnis. Für ihn ist Ausdruck immer gleichzeitig auch Eindruck – und umgekehrt. Mit sicherer Hand sucht er die Ähnlichkeit, die sich jedoch darüber hinaus als das Ureigenste einer Persönlichkeit erweist.
Das zeigt er mit traumwandlerischer Sicherheit in seinem Wittgensteinporträt. Der fast entrückte Ausdruck des Philosophen sperrt sich gegen jede feile Besitznahme, wie sie der Entgegennahme von Informationen eignet. Hier haben wir kein Erinnerungsbild, sondern das Gegenüber eines Denkers, der Gedanken bis zur letzten Konsequenz verfolgt, keine erstarrte Philosophenpose, sondern das von Gedanken erregte Antlitz eines Grübelnden, der nach innen schaut, um die äußere Welt zu begreifen. Christiaan Tonnis Porträts sind von genialer Paradoxie. Das Gesicht ist nicht das, worauf es ihm in erster Linie ankommt, vielmehr ist es der Sprung des Gedankens oder Einfalls, den er im Muskelspiel des Antlitzes errät.
Ich kann mich an seinem Wittgensteinporträt nicht satt sehen. Beunruhigung vertieft meine Komplizenschaft mit dem Porträtierten.
Das früher entstandene Porträt Thomas Bernhards zeigt den Schriftsteller in gebeugter Haltung en profil, gleichsam lauschend, aber dieses Geducktsein wirkt wie der Anlauf zu einem Sprung.
Christiaan Tonnis fasziniert der illusionslose Blick, eben jener Blick, der sich nichts vormacht. Er weiß, nur diesem Blick gelingt Einsicht. In allen Bildern, die er sich vornimmt, sucht er die Spannung mit dem Gegenüber, sucht er die Spannung des Gegenübers. Seine Bilder sind immer dialogisch. Sie verwandeln sich gleichsam im Blick des Betrachters. Das gilt auch für die Frauenporträts, ja selbst für die Landschaften wie Zauberberg, Zauberwald, die ebenfalls den Charakter von Gesichten haben, wenn man Gesichte in der alten Wortbedeutung versteht. Sie sind nicht Abstraktionen wirklicher Landschaften, sondern Projektionen einer inneren Spannung, die den Betrachter in Bann zieht. Seine Landschaften sind Masken der Seele.
„Es gibt Sprache, es gibt Kunst, weil es das andere gibt.“ sagt George Steiner. Das Andere? Das, was nicht greifbar ist, was nur angedeutet, angekündigt werden kann. Das, was uns bewegt, verunsichert, weil es nicht gut ist, sich in Sicherheit zu wägen, die uns nur einschläfert und uns den Blick trübt. Es gilt heute der Satz: „Sehen macht blind.“ Christiaan Tonnis öffnet uns die Augen und wir sehen in seinen Bildern mehr als wir sehen. Wir entdecken das Andere, über das sich nur sagen lässt, dass es das andere ist.
Prof. Dr. Herbert
Heckmann
Präsident
der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt